19.07.2024

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Gerhard Schubert GmbH

Interview mit Initiator Hans-Georg Böcher zur Kunstaustellung bei Schubert

Ein Gemälde und Möbel der Kunstausstellung Zeitlos.modern in einem Büroraum der Gerhard Schubert GmbH.

In der Zeit vom 19. bis zum 28. Juli widmet sich die Gerhard Schubert GmbH einem für sie eher ungewöhnlichen, aber inspirierendem Projekt: Im Erdgeschoss ihres neuen Bürogebäudes in Crailsheim werden Kunstwerke und Kunstobjekte aus den 1960er und 1970er Jahren ausgestellt, die auch von der Öffentlichkeit besichtigt werden können. Ideengeber ist Hans-Georg Böcher, Vorsitzender des Deutschen Verpackungsmuseums in Heidelberg und Galerist der Galerie Métropole aus Bad Schwalbach. Im Interview spricht er u.a. darüber, wie er auf das Konzept zu der Ausstellung gekommen ist, was diese mit dem verstorbenen Firmengründer Gerhard Schubert zu tun hat und warum er alternativ nicht lieber Verpackungen und andere Konsumgegenstände aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts präsentieren möchte.

„Zeitlos.modern – Kunstwerke und Kunstobjekte um 1960“ im Bürogebäude der Gerhard Schubert GmbH

Wie ist der Gedanke zur Ausstellung „Zeitlos.modern – Kunstwerke und Kunstobjekte um 1960“ im neuen Bürogebäude der Gerhard Schubert GmbH in Crailsheim bei Ihnen entstanden?

Der Auslöser war ein etwa hundert Jahre altes Kunstwerk, das sich seit Jahren in meinem Besitz befand. Ich hatte es irgendwann einmal auf Wunsch des mittlerweile leider verstorbenen Stuttgarter Werbe- und Design-Experten Peter Jochen Schott gekauft, da dieser Gerhard Schubert ein besonders Geburtstagsgeschenk machen wollte und dabei an ein Kunstwerk gedacht hatte. Später ist das kleine Gemälde, das eine Ansicht der Stadt Crailsheim aus der Luft zeigt, dann doch bei mir geblieben. Erst zu einem späteren Zeitpunkt ergab sich durch einen persönlichen Termin mit Ralf Schubert ein anderer Anlass für eine Reise nach Crailsheim. Dabei kam mir spontan der Gedanke, das Gemälde der Familie Schubert zu schenken, denn ich hatte das Gefühl, dass es in die Hände derjenigen gehören sollte, die die Stadt Crailsheim durch ihre unternehmerische Tätigkeit so entscheidend geprägt haben. Am Firmenstammsitz von Schubert angekommen, stachen mir sofort die wunderschönen neuen Bürogebäude mit ihren hellen Tageslichträumen ins Auge, bei denen gerade noch die letzten Arbeiten ausgeführt wurden. Relativ spontan hatte ich auf einmal die Idee, dort eine Ausstellung zu veranstalten und das schöne Gebäude mit dem Geist der Kunst zu erfüllen.

Was verbindet Sie persönlich mit der Gerhard Schubert GmbH?

Die Geschichte der Gerhard Schubert GmbH ist eng mit dem deutschen Verpackungsmuseum verknüpft, dessen Vorsitzender ich bin. Die Hintergründe sind wie folgt: Die eigentliche Gründung des ersten Verpackungs-Museums der Welt fiel – nach einer ersten Eintragung im Vereinsregister 1993 – in die Mitte der 1990er Jahre. Damals erschienen Verpackungen etwas sehr Profanes zu sein, welche den Planeten beschmutzten und kaum einer musealen Betrachtung würdig sind. Die Rolle der Verpackung als Exponent (und Exponat) der Markengeschichte, beispielsweise von bekannten Marken wie Nivea oder Maggi, war völlig aus dem Blick geraten. Dabei eröffnen historische Verpackungen spannende Einblicke in Konsumverhalten, Design- und Kulturgeschichte von Epochen und Völkern. Ich war mir dieser Tatsache bewusst, weil ich gerade ein Buch darübergeschrieben hatte, das 1996 erschien. Aber für ein Museum mussten, das war mir klar, Unterstützer aus der Industrie gefunden werden. Einen der ersten Verbündeten fand ich in Gerhard Schubert. Er war von der Idee eines Verpackungsmuseums sofort überzeugt und flog deshalb sogar in seinem Privatflugzeug eine kleine Gruppe von rund sieben Industrievertretern von Leipzig bis Köln in verschiedene Städte, um den idealen Standort zu finden. Als ich 1996 meinen ersten Geschäftsführervertrag für das damals utopisch erscheinende Projekt erhielt, hatte ich außer Gerhard Schubert fast keine Industriekontakte und Fürsprecher, auf die ich bauen konnte. Er jedoch hatte von Anfang an eine Vision für die Zukunft von Verpackungen, da er gleichzeitig auch eine Leidenschaft für ihre Vergangenheit besaß.

Portrait von Hans-Georg Böcher, Vorsitzender des Deutschen Verpackungsmuseums in Heidelberg und Galerist der Galerie Métropole aus Bad Schwalbach.

Hans-Georg Böcher ist Vorsitzender des Deutschen Verpackungsmuseums in Heidelberg und Galerist der Galerie Métropole aus Bad Schwalbach. Bei einem Besuch bei Schubert kam ihm die Idee zu der Kunstausstellung.

Heute denke ich, dass er visionär voraussehen konnte, was sich rund um das Thema Verpacken alles in Zukunft ändern würde. Und dass er darum die Zeitgebundenheit von Verpackungen als historische Quelle so gut einschätzen konnte. Denn heute dienen sie als wertvolle Erinnerungen und zeugen von Hunger und Durst, vom Weltkrieg, von „Care-Paketen“, aber auch, man denke an Kosmetikverpackungen, von der Sehnsucht nach Schönheit, Leidenschaft und sogar von Lust, denn es gibt zum Beispiel auch noch alte Kondompackungen. Ohne Gerhard Schubert hätte es das Museum nicht geben können, und ich werde ihm lebenslang für seinen Einsatz und seine Begeisterungsfähigkeit dankbar sein.

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Welche Kunstwerke und Kunstobjekte erwarten die Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung?

Die Ausstellung zeigt museumswürdige Kunstwerke, die alle ein Streiflicht auf die Modernität der 1960er Jahre werfen. Dabei wurde das Augenmerk nicht auf die Künstler der „ersten Reihe“ gelegt, wie beispielsweise Pablo Picasso, Georges Braque oder Joan Miró. Denn diese werden als Bestandteil eines etablierten „Kanons der Moderne“ in vielen Museen in permanenter Wiederholung immer wieder ausgestellt. Vielmehr fasziniert mich die Qualität und die Vielfalt der Kunst der zweiten Reihe“ in Deutschland. Vergleichbar ist das ein bisschen mit dem Fußball. – In der ersten Reihe der Weltliga geben Spanier und Franzosen den Ton an, die als Stars Millionen kosten. Aber kein Land der Welt hat so viele Profivereine der zweiten und dritten Liga und eine so breit gefächerte Amateursportwelt wie Deutschland.

Genauso ist es auch in der Kunst. In keinem europäischen Land gab es mehr Akademien, Künstlergruppen, Künstlerkolonien oder Kunstbewegungen. Dabei haben im Kunstbetrieb des 20. Jahrhunderts viele Künstler vor allem in Deutschland große Nachteile erleiden müssen, welche sie an einer erfolgreichen Karriere gehindert haben. Deshalb spricht man sogar von der „verschollenen Generation“. Allerdings waren die Zensur und Unterdrückung der Moderne im Faschismus nicht das einzige Problem. So mussten Männer in den Krieg ziehen, Frauen waren aufgrund ihrer Geschlechterrolle oft noch nicht gleichgestellt. Ateliers wurden mit ihren Glasdächern im Bombenhagel in Scherben gelegt. Geld für Farbkataloge war Mangelware. Und belastbare Netzwerke und Kontakte mit Gönnern in einem kriegszerstörten Land ebenfalls. Dennoch ist in der Jahrhundertmitte hierzulande unglaublich gute, ja sehr gute Kunst entstanden. Ich habe eine kleine Sammlung solcher Werke angelegt, die ich „Noah’s Ark Collection“ nenne. Dabei geht es mir erst einmal um Schutz und Bewahrung. Viele Künstler verdienen einen neuen Blick. Sie sind Entdeckungen, deren Werke es aus heutiger Perspektive gut mit denjenigen aus der ersten Reihe aufnehmen können. Man muss sich ihnen nur zuwenden und ist dann plötzlich ungläubig überrascht, dass diese Werke nicht längst in Museen hängen.

Weshalb ist Ihre Wahl gerade auf Kunst aus dieser Zeit, also den 1960er Jahren, der Gründungszeit der Gerhard Schubert GmbH, gefallen?

Als Galerist habe ich schnell gelernt, dass meine Kunden neben Kunstwerken gerne auch (Vintage-) Design-Gegenstände aus der Jahrhundertmitte kaufen möchten. Die 1960er Jahre mit ihrem positiven Elan, ihrer Zukunftsgläubigkeit und der charismatischen Populärkultur faszinieren unsere Epoche. Die moderne Innenarchitektur hat diesen Trend erkannt und setzt Möbel ein, die mit dem Charme der 1960er Jahre spielen. Mir ist bei dem Betreten der Räume der Gerhard Schubert GmbH sofort aufgefallen, dass sich das gewählte Design-Konzept des neuen, zeitgenössischen Mobiliars ideal mit den historischen Objekten der Epoche verbinden lässt. Dies gilt für Möbel wie Regale, Sideboards oder Leuchten genauso wie für Kunstwerke.

Ein Gemälde und Möbel der Kunstausstellung Zeitlos.modern in einem Büroraum der Gerhard Schubert GmbH.

Welche Objekte sind alt, welche brandneu? Bei der Kunstausstellung in den Räumlichkeiten von Schubert verschwimmen zeitliche Grenzen.

Dabei schwebte mir außerdem eine Art „Verwirrspiel“ vor, bei dem man gar nicht mehr genau weiß, welche Objekte zuerst ins Haus gekommen sind. Waren die Bilder schon vor der Möblierung da, oder umgekehrt? Welche Möbel sind neu, welche alt? Bei dieser Unklarheit sollte die Modernität des Neubaus noch gesteigert werden, keineswegs zurückfallen. „Zeitlos modern“ eben. Denn das eine oder andere Vintage-Möbel könnte durchaus als nigelnagelneu durchgehen, während manche scheinbar neuen Möbel in Wahrheit Vintage-Stücke sind. Und auch die Kunstwerke haben von ihrer mutigen Modernität nach wie vor nichts verloren. Sie wirken frisch und konzentriert – wie am ersten Tag.

Die Analogie zur Gründungszeit des Unternehmens war dann noch das besagte „i-Tüpfelchen“. Aber: es gibt keine Zufälle, davon bin ich überzeugt. Etwas von der Modernität der 1960er Jahre und der visionären Tüftlerpersönlichkeit des Gerhard Schubert ist womöglich in die DNA des Unternehmens übergegangen.

Wären Verpackungen und andere Konsumgegenstände aus dieser Zeit nicht naheliegender gewesen als Fokus der Ausstellung?

Nein, mein Gefühl war, dass dieser Ansatz zu naheliegend gewesen wäre. Vielleicht kann ich Verpackungen und Konsumgegenstände aus dieser Epoche bei einer anderen Gelegenheit präsentieren. Beispielsweise zeige ich momentan eine Ausstellung aus meiner Privatsammlung mit Verpackungsdesigns der 1960er Jahre in Konstanz im Stadtmuseum „Turm zur Katz“. Ich schätze nach wie vor das Verpackungsdesign als Spiegel der Epoche und verfüge über genügend Exponate. Aber ich hatte den Eindruck, dass in dem von Ingenieursgeist geprägten neuen Firmengebäude Kunst einziehen müsse, damit es komplett wird. Dabei dachte ich nicht an lokale Künstler aus Crailsheim, sondern explizit an einzeln ausgesuchte Werke, die auf die ambitionierte Architektur eine spannende und mindestens gleichrangige Antwort geben können.

Wie spielen Kunst, Technik und Gegenstände des täglichen Gebrauchs einer Epoche zusammen?

Im Grunde durchzieht eine Epoche ein durchgängiger Zeitgeist. Künstler, die es nicht verstehen, diesen zu prägen oder zumindest zu formulieren, laufen der Gegenwart hinterher. Das nennt man dann schwache Kunst. Der Maßstab für Qualität ist also, Vorreiter zu sein, nicht das handwerkliche Können, das heute vorausgesetzt wird. Darum sind die Werke Avantgarde, weil die Künstler zum Zeitpunkt ihrer Entstehung mutig genug waren, auch Kopfschütteln und Ablehnung hervorzurufen. Es ist teilweise unfassbar, festzustellen, dass sie Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Wer so etwas erst heute anfertigt, hat den Zug schon wieder verpasst.

In den 1960ern waren Feuer und Lava sowie die Eroberung des Weltraums große Themen, die auch in Science-Fiction-Serien und -Filmen integriert wurden, beispielsweise in der Verfilmung „Raumschiff Enterprise“ ab 1966. Die bekannten „Lavalampen“ erzeugten blubbernde Blasen; Keramikvasen hatten eine Schaumglasur, die als „fat lava“ bezeichnet wird. Und in den begeistert beobachteten Vulkanen sah man natürlich das Innere von Gestirnen oder die Krater auf der soeben erst betretenen Oberfläche des Mondes. Die in der Ausstellung gezeigte Tischleuchte „Éclipse“ versteht sich als kleine, leuchtende Mondkugel und bietet dem Nutzer die Möglichkeit, durch einen verstellbaren Schatten sogar die Mondfinsternis nachzuspielen. Die aufsteigenden Opalglas-Kugeln der „Kaskade“ von Goffredo Reggiani erinnern an Planeten. Der Couchtisch aus der „Starburst“-Edition von „Belarti“ (Julien de Covemaeker) zeigt in einem großen keramischen Kunstwerk das Motiv implodierender Sterne. Hier werden Grenzen verwischt, das Möbel wird plötzlich zum bewohnbaren Kunstwerk. Im Reliefbild „Erdkräfte“ schieben sich tektonische Platten so aufeinander zu, dass in der Bildmitte ein Loch aufgerissen wird. Das schwarze Loch hat der Künstler, wie man von hinten erkennen kann, tatsächlich mit einem Flammenwerfer bearbeitet. Die Fugen und Risse der Platten sind nicht nur aufgemalt, sondern wurden mit roher Gewalt in dem massiven Trägermaterial absichtlich hergestellt. Alles sollte so echt sein wie möglich. Aus dem fühlbaren Druck der Erde leitet sich das Feuer her. Es ist die Fähigkeit der Kunst, die Faszination ihrer Epoche zu erkennen und mit Vehemenz auszuleben.

Ein Gemälde und ein Sessel aus den 1960er Jahren als Teil der Kunstausstellung Zeitlos.modern in den Räumen der Gerhard Schubert GmbH.

Bei der Ausstellung werden Werke von insgesamt 12 Malern und Malerinnen der Pop Art und der abstrakten Moderne gezeigt und mit Alltagsgegenständen der Epoche komplettiert

Was macht ein modernes Bürogebäude interessant als Ausstellungsraum für Kunstgegenstände?

Das Gebäude von Schubert verfügt über eine ungewöhnlich großzügige Lobby, die sich zur Ausstattung mit Kunst und Design sehr gut eignet. Bei meinem Besuch habe ich die Wanderung des Sonnenstands im Tagesverlauf beobachtet und konnte feststellen, dass im vorderen Bereich des Gebäudes vormittags besonders viel Tageslicht zur Verfügung steht. Durch die Lamellen dringt es an sonnigen Tagen dann reflektiert ein, was ihm eine gelbe Färbung verleiht. Diese speziellen Lichtverhältnisse habe ich bei der Auswahl und Aufhängung der Bilder bewusst berücksichtigt. In den Tagungsräumen weiter hinten stehen teils Sichtbetonwände, teils verkleidete Holzpaneele als Hintergrund zur Verfügung. Die Holzverkleidungen sind ein Rückgriff des Architekten auf die 1960er Jahre, was sich ideal mit Objekten wie Stehleuchten und anderen Objekten dieser Epoche kombinieren ließ.

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Die Ausstellung trägt den Titel „Zeitlos.modern“. Welche Perspektiven eröffnet der Blick zurück für die Betrachter? Welche Aspekte sind zeitlos geblieben – in der Kunst und in den Maschinen, die Gerhard Schubert GmbH herstellt?

Der Titel steht dafür, dass der Betrachter ein Gefühl der Moderne erleben soll, das sich von der Entstehungszeit der Objekte bewusst entkoppelt, denn welche aus dieser Zeit oder einer vergangenen stammen, bleibt teilweise unklar. Die Exponate sind „zeit-los“, lösen sich von der Zeit, der sie teilweise vorauseilten oder die sie andererseits bewusst zitieren bzw. wieder aufleben lassen. Was die Exponate mit den Maschinen des Visionärs Gerhard Schubert verbindet, ist das positive Verhältnis zur Zukunft. Prägend für die Epoche waren der Lebensmut und die Fähigkeit, die Technik als Lösung zu begreifen und nicht als Problem.

Herr Böcher, herzlichen Dank für das Interview.

Öffnungszeiten

Die Ausstellung in den Räumen der Gerhard Schubert GmbH ist vom 20.7.2024 bis 28.7.2024 öffentlich zugänglich.


Samstag, 20. Juli 2024: 14:00 – 17:00 Uhr
Sonntag, 21. Juli 2024: 10:00 – 16:00 Uhr

Montag, 22. Juli – Freitag, 26. Juli 2024: 17:00 – 20.00 Uhr

Samstag, 27. Juli und Sonntag, 28. Juli 2024: 14:00 – 17:00 Uhr.

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